Sie war die beste Schwimmerin Schwedens. Wurde mehrfache Weltmeisterin im Boxen. Hat eine 14-monatige Haftstrafe abgesessen. Doch trotz all dieser Herausforderungen war der Weg zur Elternschaft zweifellos Mikaela Laurens härtester Kampf. Zum ersten Mal in ihrem Leben wollte ihr Körper nicht „gehorchen".
Tara Magazine (Schweden) | Oktober 2023 | Autorin: Pamela Anderson | Foto: Peter Knutson | Übersetzung ins Deutsche: Julia Jürgens
Lesen Sie hier die Originalfassung auf Schwedisch →
Frühling 2020. Die Pandemie hat die Welt lahmgelegt, und Mikaela Lauren sitzt weinend am Flughafen Heathrow in London.
Sie hat soeben erfahren, dass sie das wichtigste Match ihres Lebens verpassen könnte. Sie wird nicht in der Lage sein, Mutter zu werden.
Jahrelange Versuche werden vergeblich gewesen sein. Monatelange Hormonbehandlungen – vergeblich.
Die letzte Chance, von der ihr eine Freundin erzählt hat, in der O.L.G.A.-Klinik in St. Petersburg, ist verstrichen.
Sie wird den Arzttermin verpassen und damit auch die Einnistung der befruchteten Eizelle, die auf sie wartet. Sie sitzt mit der Bordkarte in der Hand da und darf das Flugzeug nicht betreten.
Weinend versucht sie zu erklären, dass sie und ihr Mann Peder seit fünf Jahren darum kämpfen, Eltern zu werden, und dass es jetzt, wo Mikaela 45 Jahre alt ist, nur noch eine Chance gibt.
Alles sei bereit, sie müsse nur noch in das Flugzeug nach St. Petersburg steigen, um zur Klinik zu gelangen.
- Ich war völlig erschöpft nach all den Fehlschlägen und geplatzten Träumen. Voller Hormone und Stress. Und jetzt durfte ich nicht ins Flugzeug, nachdem die Corona-Regeln geändert worden waren, sagt Mikaela.
Mikaela Lauren
Alter: 46.
Familie: Ehemann Peder und die zweijährige Tochter Nikita.
Lebt in Stockholm.
Beruf: Personal Trainer und Coach.
Aktuell: Ihre Autobiographie „Nere för räkning" (LB Förlag), die sie zusammen mit Anna-Maria Stawreberg geschrieben hat.
Sie ist braungebrannt und trägt eine Trainingshose, als wir uns im grauen Stockholm treffen, wo der Sommer bereits dem Regen gewichen ist. Die muskulösen Arme, die sie zu einer endlosen Reihe von bedeutenden Meisterschaften sowohl im Schwimmbad als auch im Boxring geführt haben, sind nackt. Mikaela ist gerade von einem mehrwöchigen Spanienaufenthalt mit ihrer Familie zurückgekehrt und erzählt von schönen Tagen am Strand mit ihrer Tochter Nikita.
Nikita, so heiß ersehnt, so stark gewollt. Mikaela und Peders Tochter, ihr Kind, das kam, als beide schon aufgegeben hatten. Ein Kind, das ununterbrochen redet und seine Mutter mit all seinen Fragen und seiner unermüdlichen Energie oft in den Wahnsinn treibt. Ein Kind, das trotz aller Widrigkeiten zur Welt gekommen ist.
Weil Mikaela das Flugzeug besteigen durfte.
Die Frau am Flughafen sah Mikaelas Zusammenbruch und verstand. Sie sagte ihr: „Vielleicht verliere ich dafür meinen Job, aber okay, du kannst an Bord gehen."
Mikaela landete um halb vier Uhr morgens. Fünf Stunden vor dem letzten obligatorischen Check-up, bevor der Embryo eingesetzt werden sollte.
Sie atmete tief aus. Dieses Mal würde es funktionieren, da war sie sich sicher. Sie und ihr Mann Peder hatten eine der schwersten Entscheidungen ihres Lebens getroffen: die Eizellen einer anderen Frau zu verwenden, um das Kind zu bekommen, nach dem sie sich so verzweifelt sehnten.
Noch wenige Jahre zuvor war Mikaela überzeugt gewesen, dass ihr Körper ihr an dem Tag gehorchen würde, an dem sie beschloss, schwanger zu werden. Dass sie, wenn sie und Peder Eltern werden wollten, nur diese 40 Wochen im Kalender abzustreichen brauchte.
- Wenn ich mich für etwas entscheide, geschieht es in der Regel auch, mein Körper hat mir immer gehorcht", sagt Mikaela.
- Deshalb habe ich mich auch so schlecht gefühlt, als meine Periode im Monat nach unserer leidenschaftlichen Nacht kam. Und als sie Monat für Monat kam, trotz aller Versuche, schwanger zu werden. Wie bei den meisten anderen Paaren, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, ließ die Romantik nach. Sex wurde zu etwas, das nach einem Zeitplan abgehakt werden musste, um sich mit dem Eisprung zu synchronisieren.
Mikaela war verwirrt. Sie hatte ihren Körper immer bis zum Äußersten diszipliniert. Sie stellte im Schwimmbad einen Rekord nach dem anderen auf und war in ihrer Haupt-Disziplin, 200 Meter Schmetterling, die schnellste Schwimmerin Schwedens. Doch nachdem sie sich nicht für die Olympischen Spiele qualifizieren konnte, traf sie eine falsche Entscheidung und wurde zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt – weil sie Anabolika genommen hatte.
Und auch nachdem sie das Schwimmen aufgegeben hatte, lieferte ihr Körper gute Leistungen. Denn als sie im Alter von 30 Jahren aus dem Gefängnis kam, beschloss sie, eine völlig neue Karriere zu beginnen.
Sie begann zu boxen.
Sie beschloss, Profi zu werden, und schon bald war sie eine bekannte Größe im Boxring. Als ihre Freundinnen Kinder bekamen, lernte Mikaela alles über das Boxen. Sie wollte Weltmeisterin werden. Außerdem hatte sie den richtigen Mann noch nicht kennengelernt. Also trieb Mikaela ihren Körper weiter an. Sie musste einige harte Treffer einstecken, aber sie holte noch mehr Preisgürtel.
- Mit 38 Jahren holte ich einen der größten Titel, die man im Boxen erreichen kann: Ich wurde WBC-Champion.
Jetzt war Mikaela die Beste der Welt. Im folgenden Jahr lernte sie Peder kennen, den Mann ihres Lebens. Irgendwann zu dieser Zeit keimte der Gedanke, eine Familie zu gründen. Aber zuerst würde sie noch ein paar Jahre als Profiboxerin durchhalten.
- Ich stand kurz vor meinem 40. Geburtstag und war in der Form meines Lebens. Daher stand Aufhören nicht zur Debatte, und ich hatte nicht die geringste Sorge, dass es mit dem Kinderkriegen nicht klappen könnte.
Mikaela ist sich bewusst, dass die Chance, schwanger zu werden, mit zunehmendem Alter abnimmt, und beschloss daher, ihre Eizellen entnehmen und einfrieren zu lassen.
- Sie holten eine Rekordzahl von Eizellen für mein Alter heraus: 16. Ich habe ausgerechnet, dass ich genug Eizellen für zwei Volleyballmannschaften hatte, sagt Mikaela und lacht.
Das Bild passt gut: Denn Mikaela, die selbst viele Geschwister hat, hatte immer davon geträumt, eine ganze Schar von Kindern zu haben. Später, wenn ihre Boxkarriere zu Ende war.
Als sie ihren sechsten WM-Titel gewinnt und sie und Peder heiraten, ist es an der Zeit, eine Familie zu gründen.
Aber Mikaela wird nicht schwanger.
- Als ich im Sommer 2017 an den „Master of Champions" teilnahm, blieb meine Periode mehrere Tage aus. Ich erinnere mich, dass ich so unglaublich glücklich war und dachte, das ist zu schön, um wahr zu sein.
Das war es aber nicht. Denn natürlich kam die Periode, während sie auf der griechischen Insel war, auf der sich das Fernsehteam zum Wettbewerb versammelte.
Mikaela war verzweifelt. Sie rief Peder zu Hause an und weinte. Er versuchte, sie zu trösten. Er erinnerte sie an ihre 16 Eizellen, die eingefroren waren und darauf warteten, befruchtet zu werden.
- Als Peder seinen Teil dazu beitrug und sein Sperma ablieferte, erfuhren wir, dass nur drei der Eizellen brauchbar waren. Es war, als würde sich der Boden unter meinen Füßen auftun, denn plötzlich waren meine Chancen deutlich gesunken.
Aber es waren immer noch drei Eizellen übrig, und Mikaela versuchte, sich Mut zu machen. Bis der Arzt anrief und sagte, dass sich nur eine der Eizellen weiterentwickelt hatte.
- Ich hoffte so sehr, dass dieses Ei unser goldenes Ei sein würde, und als es eingesetzt wurde, bewegte ich mich so vorsichtig, wie ich nur konnte. Ich streichelte meinen Bauch und sagte mir, dass ich nun endlich Mutter werden würde.
Aber die Periode kam.
Und der 42-jährigen Mikaela wurde gesagt, dass der Zug abgefahren sei. Keine Klinik in Schweden würde ihr mehr helfen. Sie war zu alt geworden.
Mikaela fiel in ein schwarzes Loch. Ihr Leben schien ihr nicht mehr lebenswert und sie verfluchte ihren Körper, der in all den Jahren immer alles getan hatte, was sie von ihm verlangte. Aber jetzt, wo es wirklich darauf ankam, streikte er. Mikaela kapselte sich in ihrem Kummer ab, und obwohl Peder genauso verzweifelt war wie sie, ließ sie ihre Verzweiflung an ihm aus.
- Irgendwann habe ich ihn angeschrien, dass das Leben ohne Kinder nicht lebenswert sei, und diese Bemerkung... Er war kurz davor, daran zu zerbrechen, sagt Mikaela langsam. Denn wer war er in ihrem Leben, wenn er nicht genug war, um ihr Leben lebenswert zu machen?
Zu Hause wurde es ruhiger. Mikaela und Peder gingen ihrer eigenen Wege und trauerten um das Kind, das sie nie haben würden. Doch dann hörte Mikaela von der O.L.G.A.-Klinik in Sankt Petersburg.
Die Klinik, in der die russische Fruchtbarkeitsärztin Olga Zaytseff kinderlosen Frauen bis zum Alter von 50 Jahren half. Wie es der Zufall wollte, fand ein paar Wochen später ein Seminar der Klinik in Stockholm statt.
- Peder und ich saßen aufrecht wie zwei Kerzen im Raum und nahmen alles auf, was Olga uns erzählte, sagt Mikaela.
Bald saßen sie und Peder im Flugzeug nach St. Petersburg, wo eine Ärztin sechs Eizellen entnahm, und obwohl es nicht so viele wie 16 waren, waren es immer noch sechs ausgezeichnete Eizellen. Jetzt würde es doch klappen, oder?
Doch dann kam der Anruf. Die Eizellen hatten aufgehört, sich zu entwickeln.
- Ich saß im Zug auf dem Weg nach Malmö, wo ich einen inspirierenden Vortrag halten sollte. Alles brach für mich zusammen, als die Ärztin anrief. Ich fing sofort an zu weinen.
Eine unbekannte Mitreisende sah Mikaelas Traurigkeit, kam auf sie zu und umarmte sie. Sie versuchte, sie zu trösten, obwohl sie sich nicht kannten. Mikaela stieg in Malmö aus, wischte sich die Tränen ab und hielt den Vortrag.
- Wir buchten einen weiteren Versuch für Mai 2020, sagt Mikaela.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Pandemie in Europa bereits ihre Krallen ausgefahren. Mikaela und Peder verfolgten die Nachrichtenberichte über geschlossene Grenzen mit Panik in der Brust. Denn wenn sie Eltern werden wollten, war es unerlässlich, nach Russland zu gelangen.
- Aber die O.L.G.A.-Klinik mietete ein Charterflugzeug, und im Mai verließen wir Schweden. Ein ganzes Flugzeug voller hoffnungsvoller, kinderloser Menschen, die sich danach sehnten, Eltern zu werden, sagt Mikaela.
Dieses Mal entnahmen die Ärzte fünf Eizellen. Und auch dieses Mal hörten die Eizellen auf zu wachsen.
- Als ich mit der Ärztin sprach, war sie ehrlich und sagte, meine Eizellen seien zu alt. Sie schlug mir eine Eizellspende vor, sagt Mikaela.
Mikaela winkte ab. Mit den Eizellen einer anderen Frau Mutter zu werden, war für sie unvorstellbar.
- Ich konnte mir nicht vorstellen, ein Kind zur Welt zu bringen, das nicht ein Teil von mir war. Ich hatte immer davon geträumt, mich selbst in meinem Kind zu sehen. Jetzt würde mein Baby nicht meine Gene haben, und das tat höllisch weh.
Aber die Ärztin erklärte Mikaela und Peder, dass die befruchtete Eizelle, sobald sie in Mikaelas Körper übertragen wurde, von Mikaelas Gehirn und Körper bei der Entwicklung unterstützt werden würde.
- Obwohl mir klar war, dass eine Eizellspende bedeutet, dass ich eine einzige Zelle einer anderen Frau benutze und alles andere von mir stammt, fühlte ich mich lange Zeit wie eine Versagerin, sagt Mikaela.
Mikaela las über die sogenannte Epigenetik und verstand, was die Ärztin gesagt hatte: Dass sie, Mikaela, immer noch einen großen Einfluss auf das Kind haben würde, das in ihrem Körper heranwächst, und das brachte sie und Peder schließlich zu ihrer Entscheidung.
- Wir würden das Sperma von Peder und die Eizelle einer anderen Frau verwenden. Denn Elternschaft bedeutet so viel mehr, und neun Monate lang würde dieses kleine Ding, das in meinem Bauch wächst, meine Stimme hören, meine Bewegungen spüren und meine Hand, die meinen Bauch streichelt.
Doch dies war die letzte Chance. Weder Mikaelas Körper noch ihre Seele konnten einen weiteren Rückschlag verkraften.
- Diesmal musste ich wegen der Corona-Beschränkungen allein reisen. Ich würde einen Zwischenstopp in London einlegen und dann nach Moskau weiterfliegen, wo ich in ein Flugzeug nach Sankt Petersburg umsteigen musste.
Es war ein Kampf gegen die Uhr. Mikaela bekam Hormone, die befruchtete Eizelle wartete, und alles war minutiös berechnet. Am nächsten Morgen um acht Uhr hatte sie einen letzten Untersuchungstermin in der Klinik, bevor die befruchtete Eizelle eingesetzt werden sollte.
Da saß Mikaela in Heathrow fest, hatte einen Zusammenbruch und durfte dank einer unbekannten Flughafenmitarbeiterin, die eine Ausnahme für sie machte, an Bord gehen und die letzte Reise zur Mutterschaft antreten.
Denn dieses Mal hat es geklappt. Nach einer langen Heimreise durch ein geschlossenes Europa, teils mit dem Taxi, teils zu Fuß und schließlich mit einem Flug von Tallinn aus, landete Mikaela in Stockholm, mit einem wachsenden kleinen Embryo in sich.
Damals wusste sie es noch nicht. Aber sie hoffte. Oh, sie hoffte so sehr.
- Es war meine Mutter, die Ärztin ist, die mir die Nachricht überbrachte. Und dieses Gespräch werde ich nie vergessen, sagt Mikaela und zeigt auf ihrem Handy die Bilder eines rüstigen, blonden Kindes.
Es ist Nikita, die zweijährige Tochter von Mikaela und Peder. Eine entschlossene kleine Person, die Mikaelas Geduld täglich auf die Probe stellt. Aber gleichzeitig ist sie auch eine entschlossene kleine Person, die für Mikaela und Peder alles bedeutet.
Obwohl sie aus der Eizelle einer anderen Frau stammt, ist sie Mikaela verblüffend ähnlich.
Da Peder und ich nicht gleich gesagt haben, dass Nikita durch eine Eizellspende geboren wurde, wissen viele Leute nicht, dass Nikita nicht von meinen Eizellen stammt.
Und tatsächlich höre ich so oft die Leute sagen, dass sie aussieht wie Peder, dass sie aussieht wie ich. Und das tut sie. Zumindest hat sie das Temperament und den starken Willen ihrer Mutter. Das ist etwas, was Mikaela bezeugen kann.
- Ich kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass Elternschaft die größte Herausforderung ist, der ich mich je gestellt habe, sagt Mikaela und lacht ein wenig müde. Dann fügt sie hinzu: Und die größte Freude.
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